Görlitz – Zwischen Restauration und Authentizität
Görlitz liegt an einem zur Neiße hin abfallenden Hang, wo die Via Regia – eine alte Handels- und Pilgerstraße, den Fluss kreuzt. Unten am Wasser stehen die Häuser und Strassen eng aneinandergedrängt und oben im Berg lässt sich die großzügige Ordnung alter Städte wiederentdecken.
Mehr oder weniger enge Gassen führen auf buntem Pflaster an unzähligen stuckverzierten Häusern vorbei und gelangen auf freie Plätze, wo sich stets die Beschilderung des Radwegs verliert. Dort öffnet sich der Blick auf breite Bürgerhausfassaden, die wegen ihrer bestechenden Authentizität und Unversehrtheit – keine Einschusslöcher und kein grellfarbiger Putz – unwirklich erscheinen in dieser Zeit. Görlitz ist wie eine Insel, an der die Zeit beinahe spurlos vorbeigegangen zu sein scheint. Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs fiel keine Bombe auf die Stadt und der Krieg war zu Ende, bevor Görlitz in Schutt und Asche lag.
Ein Riss in der Einheit
Trotzdem ist Görlitz gespalten wie sein altes Stadtwappen, auf dem der Schwarze Adler des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation auf goldenem Hintergrund, und der Weiße Löwe auf rotem Hintergrund, die Zughörigkeit zu Böhmen symbolisierend, prangt. Beides betonte für lange Zeit die Einheit zweier Mächte, bis mit der Oder-Neiße-Grenze ein Riss unten am kleinen Fluss die Stadt in Görlitz und Zgorzelec östlich der Neiße teilte.
Der Fluss eine Mitte
Doch heute will es die Stadt wieder anders. Von jeher ist der Fluss für sie eine Mitte und Dank des Einsatzes seiner Bewohner hat Görlitz seit 2004 wieder eine Stadtbrücke. Sie führt im Herzen der Stadt am Altstadtwehr zur anderen Stadtseite, wo sich in pittoresker Anmut der polnische Stadtteil Zgorzelec mit dem Geburtshaus Jakob Böhmes am Neißeufer entlang zieht. Hier ist alles etwas kleiner und gemütlicher als im Görlitz der stolzen Kaufmannshäuser.
Traumzustand
Restaurativer Feinsinn, ein Gespür für Authentizität und die Altstadtmillion, die jährlich von einem anonymen Spender auf das Konto der Stadtverwaltung überwiesen wurde, haben den Fassaden einen Charakter verliehen, als wäre die Stadt mit ihrem jahrhundertealten Antlitz eben erst aus der Wiege gehoben worden. Der Besucher wähnt sich in einer Art Traumzustand, wo er nicht mehr weiß, welche Zeit ihn umgibt. Wenn er dann noch den Nachbau des Heiligen Grabes von Jerusalem entdeckt, den 1504 ein Kaufmann, inspiriert von seinen Reisen, in seinem privaten Garten errichten ließ, dann stellt er verblüfft fest, dass eine Zeitreise in Görlitz auch schnell zu einer Fernreise werden kann.
Hinweis: Seit dem 26. Februar 2009 kann man Görlitzer Fassaden auch in der oscarprämierten Verfilmung von Bernhard Schlinks „Der Vorleser“ im Kino bestaunen.
Zur 1. Etappe
Die passende Radwanderkarte zum Oder-Neiße-Radweg gibt es hier.
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Empfohlene Literatur mit detaillierten Kartenausschnitten: Bikeline Radtourenbuch, Oder-Neiße- Radweg: Von der Neiße-Quelle zur Ostsee, wetterfest/reißfest
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[…] alles ist im Kofferraum verstaut und der Wagen rollt über flimmernden Asphalt Richtung Süden. In Görlitz kommen wir der Neiße erstmals entscheidend nahe und können schon ein paar hastige Blicke auf den […]
[…] alles ist im Kofferraum verstaut und der Wagen rollt über flimmernden Asphalt Richtung Süden. In Görlitz kommen wir der Neiße erstmals entscheidend nahe und können schon ein paar hastige Blicke auf den […]