Fünf Gründe für kritische Hochwassersituationen
1. Das trockengelegte Oderbruch: Es handelt sich um eine vor mehr als 250 Jahren trockengelegte Landschaft. Der Flusslauf wurde begradigt und an den östlichen Rand des Oderbruchs verlegt. Ein begradigter Flusslauf führt zwar in der Regel zu einem direkten und damit schnelleren Abfluss des Wassers, doch im Zuge der Urbarmachung und Melioration wird nicht das Land angehoben. Das Oderbruch liegt also grundsätzlich sehr tief und muss durch Deiche vor den regelmäßig wiederkehrenden Hochwassern geschützt werden. Zudem ist bei extremen Hochwassern immer wieder ein Bestreben des begradigten Hauptlaufs feststellbar, in sein altes Gewässersystem zurückzukehren. Der tiefste Punkt des Oderbruchs liegt am westlichen Rand des Oderbruchs. So waren beim Sommerhochwasser 1997 besonders dort neuralgische Punkte, wo der Deich alte Flussbetten kreuzt; die aufgeweichten Deiche sind dort wegen der damals fehlenden Gründung auf den alten Flusssedimentablagerungen zum Teil regelrecht ins Rutschen geraten.
2. Die Oder schüttet im Unterlauf: Auf der Höhe des Oderbruchs ist die Oder von einem grabenden längst zu einem schüttenden Fluss geworden. Sedimente lagern sich am Flussgrund ab und führen zu einem stetigen Anstieg der mittleren Flusssohle. Seit der Begradigung des Flusslaufs 1747 soll sich das Oderflussbett dadurch um mehr ca. 2 Meter angehoben haben. Damit liegt die Wasserführung der Oder im Jahresmittel deutlich über dem Niveau des westlich anliegenden Terrains des Oderbruchs. Ausgebaggert wird die Oder derzeit jedoch nicht; inwieweit das überhaupt sinnvoll wäre ist unklar, aber auch explosive Altlasten des 2. Weltkrieges am Flussgrund werden oft als Grund für die fehlenden Maßnahmen genannt.
3. Das Untere Odertal liegt kaum höher als die Ostsee: Das Untere Odertal war nach der Eiszeit eine Meeresbucht. Mit dem Abtauen der Eismassive ragte das Meer der heutigen Ostsee in Form einer Art Meeresbucht südwärts bis an den Rand des nördlichen Oderbruchs. Der gebliebene geringe Höhenunterschied zur Ostsee macht sich bis heute bemerkbar. So tritt bei massiven Nordwinden ein Rückstau der Oder auf, der sich bis Hohensaaten bemerkbar macht, wo der Abfluss der Alten Oder bei Rückstauungen ggf. abgeriegelt werden kann.
4. Von Osten kommt die Warthe: Die Warthe fließt durch das von Osten aufs Oderbruch stoßende Thorn-Eberswalder Urstromtal, welches bis heute bestimmend für das Flusssystem der Oder ist und eine deutliche Prägung des Oberflächenreliefs hinterlassen hat. Die Warthe erreicht auf der Höhe Küstrins das Oderbruch und strebt dem Höhenprofil des Urstromtals folgend westwärts und drückt dabei dementsprechend bei hoher Wasserführung auf die Deiche. Ein besonderer Umstand ist dabei, dass die Warthe am Zusammenfluss mit der Oder eine ähnlich große Abflussmenge aufweist und zudem bis zur Mündung bei Küstrin eine längere Strecke zurückgelegt hat als die Oder. Die Warthe ist der Abfluss für ein enorm großes Einzugsgebiet, das wesentliche Teile Zentralpolens umfasst.
5. Die Oder ist ein Steppenfluss: Die Oder bildet eine Ausnahme und verhält sich trotz seiner mitteleuropäischen Lage wie ein sibirischer Steppenfluss. Im Gegensatz zu Elbe oder Rhein entwickelt sie im Winter häufig Grundeis, das sich am Grund des Flusses bildet und dann plötzlich mit Erreichen eines kritischen Auftriebsniveaus aufsteigt; auch wenn Grundeis oft Einschlüsse von Schlick und Schlamm vom Flussgrund aufweist – man erkennt Grundeis oft an den Verunreinigungen – bleibt auch Grundeis leichter als Wasser. Dadurch hat die Oder regelmäßig einen starken Eisgang, der häufig zum totalen Eisverschluss und einer durchgängigen Eisdecke führt. Die Folge sind sogenannte Eisversetzungen, die zum Stau des Abflusses führen. Meterdicke Eisbarrieren können somit innerhalb weniger Stunden den gesamten Strom gefährlich anstauen. Zugleich gefährden treibende Eisschollen und Druck die Deiche entlang der Oder.
Die Oder im Winter: Geschlossene Eisdecke bei Frankfurt (Oder)
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