04.02.2019: Europabrücke am Oder-Neiße-Radweg soll kommen.
Die alte Eisenbahnbrücke am Oder-Neiße-Radweg bei Bienenwerder im Oderbruch soll nun doch für den Radreiseverkehr geöffnet werden. In diesem Fall würde sie doch noch die Europabrücke werden, die schon lange versprochen war.
Am Oder-Neiße-Radweg in exponierter Lage mitten im Oderbruch sollte eine Brücke für den Radtourismus erschlossen werden. Die Idee dazu ist über 15 Jahre alt. Sie hatte den bedeutungsschweren Namen Europabrücke bekommen, dem sie aber bisher nicht gerecht werden konnte. Lange wurde über diese Brücke debattiert und geplant. Doch dann trat neben allen planerischen Herausforderungen auch noch ein seltener Uhu auf den Plan.
Ein Uhu sagt Huhu
Der brütete plötzlich auf einem der Brückenpfeiler. Wenn er das nicht mal schon länger dort tat. Schließlich hätte er viel Zeit dafür gehabt, denn seit der Zerstörung der Brücke in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs und der späteren Wiederinstandsetzung gab es nie wieder regelmäßigen Zugverkehr über die Brücke. Es ist nicht einmal sicher, ob seitdem überhaupt noch einmal ein Zug an dieser Stelle die Oder überquert hatte. Mit der Entdeckung des seltenen Uhus fand jedenfalls alles Träumen von der Europabrücke ein jähes Ende. Die Naturschützer traten vermutlich nicht ganz zu Unrecht auf den Plan, um dem Uhu sein ungestörtes Refugium zu erhalten. Das kennt man irgendwie: Brückenprojekte und seltene Tierarten vertragen sich nicht immer gut. Der Stacheldraht noch aus Zeiten der „Oder-Neiße-Friedensgrenze“ blieb.
Ein deutsch-polnischer Glücksfall
Nun ist der Radwanderer nicht per se ein Naturfeind, sondern erlebt sie ja gerne unterwegs. Doch über diese Meldung dürften sich trotzdem alle Radwanderer auf dem Oder-Neiße-Radweg freuen. Die Behörden beiderseits der Oder melden nun die unverhoffte Wende. Für die Uhus wurde eine Lösung gefunden und die alte Eisenbahnbrücke von Bienenwerder soll nun doch umgebaut werden für den Radtourismus. Für den Radtourismus auf dem Oder-Neiße-Radweg und drumherum wäre das natürlich ein Glücksfall, könnten doch Radfahrer hier von der deutschen Seite der Oder ans polnische Ufer wechseln, wo mittlerweile auch attraktive Radrouten entlang der Oder nach Norden führen. Zumal auch bereits auf den alten Bahntrassen westlich und östlich der Brücke Radwege angeschlossen wurden.
60 Kilometer ohne Brücke
Ein besonderer Umstand ist auch, dass Radfahrer bisher im Oderbruch nur zwei viel-befahrene Brücken zum Wechseln der Uferseite zur Verfügung haben, die sie zudem mit dem regen KFZ-Grenzverkehr teilen müssen. Mit den Orten Küstrin und Hohensaaten liegen diese beiden Brücken auch ziemlich weit auseinander. Da muss man sich als Radwanderer für die nächsten knapp 60 Kilometer schon sicher sein, auf welcher Seite der Oder man reisen möchte. Alternativ gibt es mittendrin ungefähr auf halber Strecke noch die Oderfähre bei Güstebieser Loose/Gozdowice. Diese fährt jedoch nur innerhalb der Saison nach einem engen Fahrplan zu bestimmten Zeiten (in der Regel tagsüber), und nicht nach Bedarf. Und sie ist lediglich eine Gut-Wetter-Option, denn bei besonderen Wettersituationen wie Niedrigwasser und Hochwasser fährt sie nicht – beides sind Dinge, die an der Oder nicht so selten vorkommen. Mehr zu den Fährzeiten gibt es hier.
Eisenbahngeschichte
Dagegen klingt eine opulente alte Eisenbahnbrücke mit einer spannenden Geschichte, die nur für den unmotorisierten Reiseverkehr zugelassen wird, wie der Traum eines radfahrenden Grenzgängers. Es gäbe viel zu erzählen über dieses Relikt vergangener Eisenbahngeschichte auf der Bahnstrecke Berlin-Wriezen-Jädickendorf, die nach dem Zweiten Weltkrieg nur deswegen wieder instand gesetzt wurde, damit von russischer Seite Reparationsleistungen in Form von Gütern Richtung Osten abtransportiert werden konnten. Seitdem rosten die Gleise.
Eine Brücke für Europa
Die von den Behörden avisierte Eröffnung ist im Jahr 2021. Das bleibt natürlich noch abzuwarten. Ein paar wesentliche Dinge für die Umsetzung sind jedoch auf den Weg gebracht. Die Fördergelder zum Beispiel sind beantragt. Das Engagement auf polnischer Seite wurde hier gleich mehrfach von verschiedenen Stellen betont. Das zeigt, was seit Jahren bereits zu spüren ist – der Radtourismus gewinnt in Polen zunehmend an Bedeutung. Radfahren ist dort längst keine Sache mehr, die nur Leute machen, die sich kein Auto leisten können (alte polnische Sichtweise über das Radfahren). Und sicher ist es auch wirtschaftlich interessant, die Radwanderer vom Oder-Neiße-Radweg auch einmal auf die polnische Seite zu ziehen. So könnte die alte Eisenbahnbrücke von Bienenwerder nun doch noch zu einer echten Europabrücke werden, die den Radtourismus auf beiden Seiten der Oder näher zusammenbringt.
Die ideale Radwanderkarte von Bikeline mit Infos zu allen Abschnitten des Oder-Neiße-Radwegs inkl. detaillierter Karten, Beschreibungen, Höhenprofilen und Infos zu Unterkünften gibt es hier..
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Empfohlene Literatur mit detaillierten Kartenausschnitten: Bikeline Radtourenbuch, Oder-Neiße- Radweg: Von der Neiße-Quelle zur Ostsee, wetterfest/reißfest
Mittlerweile eine ziemlich gute Alternative zu den Bikeline Radtourenbüchern: Die ADFC Radreiseführer in einem ähnlichen Format und mit ebenfalls sehr detailreichen Karten und den wichtigsten Infos für passionierte Radwanderer.
Liebe Radel-Freunde,
heute Abend bin ich (79) mit meiner Frau (69) aus einem Kurzurlaub im Oderbruch zurück nach Darmstadt gekommen. Unser erster Besuch dort. FeWo in Karlsbiese 169 („Oderbruchhütte“ sehr empfehlenswert. Mit Leihrädern sind wir am Freitag, 26.7.19 an die Oder gefahren, mit der Fähre rüber nach Gozdowice und dann auf der polnischen Seite nach Norden auf der gut ausgebauten und wenig befahrenen Landstraße, Ziel: Grenzübergang Hohenwutzen und von dort auf deutscher Seite wieder zurück ins Quartier. Auf halber Strecke kommen wir an einen gut beschilderten, mit solargespeisten Lampen beleuchteten Straßenübergang über einen nagelneuen Radweg, der in Richtung Osten ca. 15 km nach Moryn führt. Uns zieht es jedoch nach Westen, da wir für unserer Verhältnisse bei der Hitze (32 Grad) schon genug gestrampelt sind und hoffen auf eine Abkürzung für den Rückweg. Wir fahren also auf dem neuen polnischen Radweg mehrere hundert Meter nach Westen und stehen vor der gesperrten alten Eisenbahnbrücke, sehen dort die polnischen Projekt-Schilder und Beschreibungen und Zeitangaben: 2014 – 2021. Die Brücke ist da, aber der Weg fehlt, und das, wie ich jetzt auf Eurer Seite erfahre, wegen eines Uhus. Das darf doch nicht wahr sein, dass dieser zwar seltene und schützenswerte Vogel ein so wichtiges Europäisches Projekt verhindert. Angeblich ist ja jetzt eine Lösung gefunden. Ich bin mal gespannt, wie diese aussieht. Und ich bin mal gespannt, wie die Planenden und dann Ausführenden diese tolle Radler-Brücke über die Oder im vorgegebenen Zeitrahmen fertigstellen werden. Da fehlt nämlich nicht nur der Anschluß über die Brücke sondern auch weitgehend noch der Ausbau der alten Bahntrasse als Radweg. Die polnische Seite ist da jedenfalls schon viel weiter mit ihrem vorbildlichen Ausbau. – Wir haben uns nach dieser Enttäuschung an der gesperrten Brücke wieder auf den Weg gemacht, in Stary Kostrzynek direkt an einem Seitenarm der Oder noch ein schönes Lokal gefunden „Krystinas Gasthaus“) und frisch gestärkt auf den weiteren Heimweg über Hohenwutzen zurück nach Neulewin gemacht. Insgesamt waren es dann über 50 km, ein Weg mit vielen Erfahrungen aus vergangener (Kriegs-)Zeit und gegenwärtigem Planungs-K(r)ampf. Vielleicht kann mir ja jemand verraten, in welcher Behörde bzw. welcher Schublade dieses tolle europäische Brückenprojekt derzeit bearbeitet wird oder vor sich hin schmurgelt.
So Gott will und ich dann noch lebe, würde ich gerne bei der Einweihung dabei sein und auf dieser Brücke über die Oder radeln, hin und zurück.
Mit freundlichen Grüßen, Manfred Weschke
Manfred Weschke
Sandbergstrasse 4
64285 Darmstadt
Sandbergstrasse
Lieber Herr Weschke, herzlichen Dank für diesen ausführlichen Kommentar. Ich kann Ihre Gefühlslage dazu sehr gut nachvollziehen. Wir bleiben gespannt, wie es mit der Brücke weiter geht. Bei Neuigkeiten dazu, werde ich an dieser Stelle gerne darüber berichten. Mit besten Grüßen, Nicolaus Widera
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