Mitteldeutsches Mittelmaß
Das ist mal ein deutscher Fluss. Mitteldeutsch, um genau zu sein. So richtig wild will er nicht werden, aber ganz ohne Action kommt er auch nicht aus.Und so mittel das Programm auch ist, so solide kommt es aber auch daher. Die Unstrut durchfließt Mitteldeutschland mit seiner nicht superlativen Landschaft, die aber reich ist an schönen Akzenten.
Straußfurt mit Stausee
Zum Paddeln auf der Unstrut ist ein Start in Straußfurt direkt nach dem Stausee empfehlenswert. So spart man sich die unkomfortable Passage einer Staumauer und der Stausee gibt zu jeder Jahreszeit zuverlässig sein Soll an kühlem klaren Wasser ab, so dass dort Paddeln gut möglich ist. Außerdem ist Straußfurt zwar ein kleiner verschlafener thüringischer Ort, aber tatsächlich auch mit der Bahn gut erreichbar, was die spätere Rückfahrt zum Auto ungemein erleichtert.
Sofort schön
Kaum liegen unsere Boote im Wasser, erleben wir direkt nach dem Stausee einen schönen kiesigen Flussbett-Abschnitt. Die Unstrut ist sozusagen ab sofort ein sehr schöner Wanderfluss. Parallel zu ihr verläuft der Unstrut-Radweg.
Kein Wildabenteuer
Aber es gibt eben auch eine Kehrseite dieser Mittelmäßigkeit. Die Unstrut kommt schon auf den ersten Kilometern nach der Stauung in Straußfurt nicht mehr so richtig aus ihrem Korsett. Es gibt viele regulierte Ufer und zuletzt sogar gut instandgehaltene Schleusen, die immer von einem emsigen Schleusenwärter besetzt sind. Das ist schön für Wasserwanderer, die es bequem mögen. Aber ein richtiges Wildabenteuer will so nicht entstehen.
Ankommen
Das hatten wir aber auch nicht erwartet, als wir diesen Sommer 2019 an die Unstrut aufbrachen. Immerhin: die Unstrut mäandert zwar teilweise nicht sehr viel, wird aber trotzdem durchgehend von einer schönen Vegetation begleitet. Und das nächste Wehr kommt erst nach über zehn Kilometern in Sömmerda. Das gibt uns die Möglichkeit, erst einmal auf der Unstrut anzukommen.
Unerwartet abwechslungsreich
Nach Sömmerda werden es mehr Wiesen statt Wald, die den Fluss begleiten. Die Landschaft ist offen und bietet wenig Schatten. Der Fluss besteht aus einem Wechsel zwischen schönem Kiesel-Grund und gegrabenen schlammigen Abschnitten. Es ist mal tief und mal flach mit fahrbaren Sohlschwellen. Das schafft ein unerwartet abwechslungsreiches Befahrungserlebnis.
Einsame Unstrut
Allmählich fällt uns auf, wie wenig besiedelt die Landschaft ist bzw. genauer gesagt, wie selten die Ortschaften tatsächlich bis an den Fluss heranreichen. Stattdessen sind wir unterwegs zwischen hohen Uferböschungen, auf denen sich theoretisch tolle Lagerplätze befinden, die für uns aber schwer erreichbar sind.
Zwischen Schmücke und Hainleite
Landschaftlich ungewöhnlich reicht das Bild bereits am ersten Tag von einer flachen Umgebungslandschaft bis hin zu umliegenden Bergen. Das hat einen Grund. Diese Berge markieren die nördliche Begrenzung des Thüringer Beckens. Dort tritt die Unstrut in die Thüringer Pforte, wo der Fluss sich einen Weg zwischen den geologischen Formationen von Schmücke und Hainleite gebahnt hat und die Beckenlandschaft verlässt.
Nachtlager an der Mühle
Wir erreichen diesen idyllischen und beinahe magisch anmutenden Ort am Abend. Am Engpass stehen die Untere und die Obere Sachsenburg, die auf das Schauspiel hinabblicken und einen sehr illustren Akzent in der Landschaft setzen. Die Unstrut schmiegt sich an den östlichen Rand der Hainleite und erreicht kurz darauf die Weineck‘sche Mühle bei Oldisleben, wo wir unser erstes Nachtlager aufschlagen.
Ein Lied am Wehr
Die Weineck’sche Mühle besteht aus einem imposanten Gelände am linken Ufer, welches nicht recht zu einer einfachen Mühle passen will. Es stellt sich dann auch heraus, dass die Mühle ursprünglich aus einer alten Klosteranlage hervorgegangen ist. Und es gibt noch mehr Geschichten zu diesem Ort. Am Wehr der Weineck’schen Mühle soll Carl Friedrich Zöllner 1844 die Melodie zu Das Wandern ist des Müllers Lust komponiert haben. In diesem Sinne haben wir das Gefühl, hier ganz richtig zu sein, auch wenn ich Zweifel daran habe, dass der ursprüngliche Dichter Wilhelm Müller in seinem bekannten Text auch die Wasserwanderer im Sinn hatte.
Unstrut sachsen-anhaltinisch
Am nächsten Tag wird die Unstrut sachsen-anhaltinisch und erreicht den Burgenlandkreis. Neben der Landschaft und solchen Orten am Wegesrand ist die überragende Wasserqualität ein weiterer wichtiger Punkt, der die Unstrut als Paddelfluss so attraktiv macht. Das Wasser bleibt auch in den nächsten Tagen klar, als wir auf der Unstrut weiterreisen. Vermutlich liegt das daran, dass es eben nur wenige Städte oder größere Ortschaften am Flusslauf gibt, aber dafür umso mehr Wasserpflanzen, die sich mitten in der Strömung aufrichten und alle Sedimente rausfiltern.
Lebendiges Fahrwasser
Überhaupt wirkt der Fluss sehr lebendig. Hin und wieder schüttet der Fluss urplötzlich Kiesbänke auf. Bei Niedrigwasser ist es sehr hilfreich, wenn man die Strömung lesen kann. Es gibt überall einen Durchlass. Aber erkennt man die Engstelle zu spät, so kommt es, dass man aus dem Boot aussteigen und den Kahn wieder in tieferes Fahrwasser ziehen muss.
Postkartenbilder mit Burg
Auch in den nächsten Tagen setzt sich auf der Unstrut alles wie gehabt fort. Die Unstrut verläuft überwiegend durch eine freie Landschaft zwischen Wiesen und Feldern und berührt hin und wieder einen Berg. Eine sanfte Hügellandschaft im Hintergrund rundet das angenehme Bild für den Blick ab. Hin und wieder thront eine weithin sichtbare Höhenburg über dem Flusstal, die der Unstrut das eine oder andere Postkartenbild beschert; Burgenlandkreis eben. Doch die größeren Siedlungen liegen auch in den nächsten zwei Tagen meist etwas abseits des Flusslaufs.
Nebra
Leider bleibt es auch bei der hohen Uferböschung, die nur wenige Ausstiege ermöglicht. Insgesamt wirkt die Unstrut aber im Unterlauf belebter. Die Unstrut fließt durch Nebra, in dessen Nähe auf dem Mittelberg die sogenannte Himmelsscheibe von Nebra entdeckt wurde. Vom Fluss aus kann man die Arche Nebra sehen, ein festes Ausstellungszentrum, welches sich neben wechselnden Veranstaltungen vor allem dieser archäologischen Sensation widmet.
Mit Paddel und Ruder
Nebra ist im Unterlauf der einzige größere Ort am Fluss. So ist die Unstrut ab hier auch touristisch stärker erschlossen, wobei wir hier kurz vor den Ferien vorrangig Tagestouristen angetroffen hatten. Inwieweit auch die klassischen Tourenpaddler hier zum gewohnten Bild gehören, bleibt offen. Trotzdem haben wir nur wenige Motorboote angetroffen. Es gibt aber vermehrt Ruderclubs, die aus dem gesamten deutschen Raum anreisen, um hier auf der Unstrut zu reisen.
Schleusenzeiten
Neben einigen touristisch betriebenen Rastplätzen mit Kanuverleih kommen jedoch zu den Wehren nun immer mehr Schleusen hinzu. Die letzten Wehre vor der Unstrut-Mündung in die Saale werden alle geschleust. Das passiert in der Regel zwischen 9 Uhr und 18 Uhr, wenn die Schleusen besetzt sind. Das Personal war sehr freundlich und zuvorkommend zu uns.
Weinberge
Insgesamt kann man sagen, dass man die knapp über hundert Kilometer auf der Unstrut als geübter Kanute angenehm an einem verlängerten Wochenende absolvieren kann. Zuletzt kommen die Weinberge, die immer häufiger am Talrand auftauchen. Sie verkündeten die Saale-Unstrut-Region. Deswegen hatten wir uns ein paar Tage mehr Zeit genommen und unsere Reise auf der Saale fortgesetzt, was eine wirklich lohnenswerte Empfehlung ist, von der ich hier in Kürze berichten möchte.
Mehr Informationen zur Unstrut – Gewässerexposé
Weiterhin gibt es für Gesamtdeutschland das Deutsche Flusswanderbuch mit einem hilfreichen Kartenteil.
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Für alle, die mit dem Fahrrad die Unstrut entlang reisen möchten:
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