Wehrwölfe auf dem Bober
Tag 4: Von Zigeunern und Mädchen
Über den Kanal führt eine weitere Brücke, diesmal aus einer blauen Stahlkonstruktion. Flussabwärts hinter dem Wehr dehnt sich der Bober aus wie ein See. Er ist so breit, dass er der Stadtsee von Sagan zu sein scheint.
An beiden Ufern ist er von einer weitläufigen Parklandschaft umgeben, die ihr Übriges zu diesem Eindruck beiträgt.
Kein Rauch mehr in Zagan
Von der Brücke haben wir einen guten Blick stromabwärts. Was wir dort sehen, macht uns jedoch fassungslos. Circa einen Kilometer flussabwärts befindet sich ein weiteres Wehr, vor dem ein weiterer Kanal rechts in ein Industriegebiet abzweigt. Die Industrie ist nur noch ein Relikt, ähnlich alt und verlassen wie in Sprottau. Keiner der Schlöte raucht mehr.
Stromaufwärts
Doch dieses zweite, flussabwärts gelegene Wehr zeigt auf den ersten Blick, dass es dem zuvor Passierten an Größe und Unbequemlichkeit in Nichts nachsteht. In jenem Moment, als wir das begreifen, entscheiden wir uns einstimmig dafür, beide Wehre möglichst mit einem Mal zu umtragen. Dafür ist es sinnvoll, die engen, gefährlichen Straßen zu umgehen. Also paddeln wir den Flussbogen zurück, um direkt auf die Insel zu kommen. Die Strecke kommt uns jetzt viel länger vor. Die Angler kennen uns nun schon und wundern sich nicht mehr, als wir uns mit sichtlicher Mühe stromaufwärts schaufeln.
Zwischen Fluss und Kanal
Nach einer weiteren halben Stunde legen wir unmittelbar neben dem Wehr zum Kanaldurchlass auf einer schmalen Sandbank an. Ohne eine Pause einzulegen, schaffen wir sofort die Boote auf die Insel zwischen Fluss und Kanal, und während René und Mark die Boote zur Straßenbrücke bringen, mache ich mich auf den Weg, um eine bootstaugliche Route bis hinter das zweite Wehr zu finden.
Seitenwechsel
Mit Erfolg; es gibt einen angenehm schattigen Waldweg, der durch die Parkanlage bis zum unteren Wehr führt. Als einzige Herausforderung bleibt uns dabei noch, die langen, unhandlichen Boote über die Brücke und zur gegenüberliegenden Straßenseite zu bekommen. Die Autos dafür anzuhalten, wäre ein zweckloser Versuch; diesbezüglich hatten wir ja schon am Zebrastreifen unsere Erfahrungen gemacht. Aufmerksam beobachten wir den Verkehr und entdecken tatsächlich hin und wieder geeignete Lücken, um Mensch und Material heil auf die andere Straßenseite zu bringen.
Waldspaziergang
Endlich stehen wir wohlbehalten mit Sack und Pack am Eingang zu einem lauschigen Wäldchen und können damit beginnen, Gepäck und Boote im rotierenden Wechsel ins Grüne zu schaffen. Zu diesem Zweck schnallen wir zu zweit ein Boot auf den Bootswagen und der Dritte trägt zur gleichen Zeit das Gepäck hinterher, das zwischendurch an weithin überschaubaren Strecken zwischengelagert wird. Somit hat ständig einer von uns das Gepäck im Blick, während die anderen das zweite Boot nachholen. Dabei wechseln wir uns ständig ab und es kommt wiederholt vor, dass der Einzelne von uns auf verwunderte Spaziergänger trifft, deren ratlose Mienen verraten, dass sie sich einen vollbepackten Wilden so allein im Wald nicht erklären können. Dieser kritische Gesichtsausdruck entschärft sich immer erst dann, wenn die Nachzügler mit den Booten auftauchen und die wahren Absichten erkennen lassen.
Unterhaltung für Paddler
Noch viel unterhaltsamer aber ist es, dass wir uns immer gegenseitig auf der langen Waldstrecke begegnen, denn einer von uns läuft immer zurück, um etwas nachzuholen, während die anderen stromabwärts stapfen. Bei diesen Begegnungen können wir uns ein schelmisches Grinsen nicht verkneifen und begrüßen uns jedes Mal aufs Neue in den komischsten und überraschendsten Variationen und tun so, als wenn wir uns noch nie zuvor begegnet wären.