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Roadreport: Der Berlin-Kopenhagen-Radweg, 3. Teil

Die Nord-Etappe

Zwischen Berlin und Kopenhagen liegt die Ostsee. Das ist eben so, und zwischen dem Morgen und dem Abend eines Radfahrtages liegt ein Meer.Das Wasser ist von nun an salzig, und wer sein Fahrrad in Gedser/Falster aus dem Bauch der Fähre schiebt und Dänemark noch nicht kennt, ahnt noch nichts von den Veränderungen, die hier den mitteleuropäischen Radfahrer erwarten. Mitteleuropa ist vorbei. Wer noch nie dem Strecken-Fieber erlag, diesem unbändigen Drang, Kilometer zu fressen, der wird jetzt zwangsläufig davon befallen werden.

Im Paradies

Das Land ist an der Südspitze Dänemarks eben und wirkt wie eine langsam ins Meer versinkende Hochebene eines Gebirgsplateaus. Alles ist von Meeresluft getränkt und zugleich wirkt alles ein bisschen amerikanisch: die Radwege sind in Asphalt gegossene Straßen – mehrspurig, mit Tunneln und nummerierten Wegemarkierungen. Es ist das Paradies für Radfahrer. Ost- und Westküste liegen in Falster noch dicht beisammen und der Ostseeküsten-Radweg folgt in Dänemark immer einem Ufer, so dass es sich für nimmer-satte Kilometerfresser lohnt, auf der Höhe von Marielyst auf die sogenannte Ostsee-Routen zu wechseln und am östlichen Ufer entlang zu fliegen, statt den Weg über Nykobing zu nehmen. Ufer heißt von hier an übrigens Küste und Strand. Die stillen Seen von Mecklenburg gibt es hier nicht mehr.

Harmonie

Nachdem der Neuankömmling erst mal begriffen hat, dass es sich bei diesen mehrspurigen Asphaltstreifen neben den Straßen tatsächlich um Radwege handelt, wird er gewahr, dass Dänemark auch flach bleibt, oder aber zumindest nicht richtig bergig wird. Wenn man Glück hat, trägt einen immer gerade irgendeine Meeresbrise den leichten Anstieg landeinwärts hinauf. Doch da die Radwege meist immer irgendwie den dänischen Küsten folgen, lässt der nächste Abstieg zum Meer nie lange auf sich warten. Und wenn man doch mal auf eine der offiziellen KFZ-Straßen trifft – auch in Dänemark sind nicht alle Radstrecken als separate Radwege ausgebaut – dann staunt man, dass es kaum Aggressionen gegen Radfahrer gibt. Das Miteinander zwischen Zwei- und Vierradfahrern gestaltet sich ungewohnt entspannt und harmonisch – dies ist vermutlich kein Zufall, denn das Verkehrsrecht sieht für Radfahrer „besondere Konditionen“ vor und Autofahrern drohen drastische Strafen bei Verkehrsvergehen gegen Radfahrer.

Inseln

Egal, wo man sich in Dänemark bewegt, man wird den Eindruck nicht los, dass Dänemark mehr Insel als europäisches Festland ist. Dänemark besteht nun aus grünen Hügeln, die aus blauen Wasserflächen hervorragen. So verwundert es auch nicht, wenn nicht einmal eine Tagesstrecke hinter Gedser bereits die nächste Überfahrt mit der Fähre ansteht. Die Fähre ist in Dänemark bis auf wenige Ausnahmen zwar kein Muss, aber die nächste Brücke über einen der Ostseesunds ist immer einen gewaltigen Umweg entfernt. Wer es nicht gerade auf jeden Zusatz-Kilometer anlegt, der tut gut daran, sich vorab über die Öffnungszeiten der innerdänischen Fähren zu erkundigen (mehr Infos). Nach 20 Uhr ist es hier im Sommer zwar noch überall hell, aber die Fähren haben einen anderen Rhythmus, der wenig mit Radfahrern gemein hat, die gerne das Tageslicht bis zur letzten Minute nutzen, bevor sie im letzten Dämmern irgendwo am Wegesrand ihr Zelt aufschlagen.

Der Nordfaktor

Das Tageslicht ist überhaupt eines der großen Extras, die Radfahrer in Dänemark geboten bekommen. Was so schon wie das Paradies für Radfahrer klingt, wird dadurch abgerundet, dass es hier länger hell ist. Selbst im Früh- oder Spätsommer sorgt der Nordfaktor für entspannte Abendstunden beim Radeln, wobei genügend Zeit bleibt, einen der versteckten Biwakplätze zu finden. Dänemark verbietet das Wildzelten ausdrücklich, geht damit aber ganz pragmatisch um, indem es Alternativen anbietet und ein ganzes Netz von offiziellen Biwakplätzen initiiert hat. Diese sind meist auch mit Trinkwasser und Toiletten ausgestattet.

Erleuchtung

„Ey, und hier kannste sogar duschen!“, empfängt mich ein Radfahrer aus Deutschland auf einem der Biwakplätze, und springt mit aufgerissenen Augen wie ein Erleuchtung gefundener Pilger über den frischgemähten Platz. Mehr kann sich ein Radfahrer kaum wünschen, außer das Aldi auch Sonntag geöffnet hat – und er hat es, wie auch eine Reihe anderer Supermärkte entlang der Strecke. Noch besser sind die sogenannten „garden butiks“, Gärtnereiläden, die beinahe überall entlang des Weges für hungrige Radfahrer öffnen, oder eine der „Kassen des Vertrauens“ aufgestellt haben, wo jeder Durchreisende nach erfolgreicher Selbstbedienung seinen Beitrag in die anonyme Kollekte einwerfen darf.

Vollkommen

Doch eines fällt erst auf, wenn man die vorgelagerte Hafenstadt Faxe Ladeplads passiert: Wo ist das Faxe-Bier? Ich hab hier noch keines gefunden, aber das liegt vermutlich nur an meinem eingeschränkten Blickwinkel aus Radfahrerperspektive, der nur die paar großen Discounter am Wegesrand entdecken kann. Doch auch ohne dänischen Gerstensaft hat eine Radtour in Dänemark schon etwas Vollkommenes an sich und ich werde das Dauergrinsen nicht los, als ich an den steilen Kreideküsten entlang auf Kopenhagen zufliege.

Zu kurz

Drei Tage Radfahren in Dänemark bis man Kopenhagen erreicht, das ist eindeutig zu kurz für dieses Land, das sich für Radfahrer so üppig und komfortabel ausbreitet. Da ist es zuletzt auch kein Wunder, dass Kopenhagen eine Radfahrerstadt ist – wieder die mehrspurigen Radwege, kaum weniger breit als Autostraßen, und auf dem Weg ins Kopenhagener Zentrum muss man sich zwischen Unmengen urban-gestressten Radfahrern auf hippen Hollandrädern behaupten, die nicht ums Drängeln verlegen sind. Was man hier sofort bemerkt: Es ist wie mit dem brandenburgischen Fährmann und den Ostseehäfen; es sind zwar kaum mehr als 600 Kilometer, aber Kopenhagen ist schon wieder was ganz anderes als Berlin.

Hinweis: Wer noch etwas Zeit im Gepäck mitbringt, für den lohnt es sich, dem Ostseeküsten-Radweg weiter in Dänemarks Norden zu folgen, oder nördlich von Kopenhagen in Helsingor auf die andere Seite des Ostseesunds nach Helsingborg überzuwechseln, um die Radreise in Schweden (dort gibt es auch einen direkt anschließenden Ostseeküstenradweg) fortzusetzen. Von den südschwedischen Städten Malmö, Trelleborg und Göteborg bestehen regelmäßige Fährverbindungen nach Deutschland, und von Ystad nach Świnoujście (Polen, Wolin/Usedom).

B-K-Radweg/Teil 1 – Die Brandenburg-Etappe
B-K-Radweg/Teil 2 – Die Mecklenburg-Etappe

Streckeninfos

Roadshow

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